Kultursensibilität

Kultursensibilität

Kontext

Laut statistischem Bundesamt (2022) leben in Deutschland ca. 22 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund. Davon sind 2,23 Millionen Menschen älter als 65 Jahre alt.

Angesichts der wachsenden Zahl älterer Menschen mit Migrationshintergrund, ist zu erwarten, dass Themen wie Demenzerkrankungen, Pflegebedürftigkeit und ein damit einhergehender erhöhter Beratungsbedarf auch in diesem Personenkreis zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.

Studienergebnisse weisen darauf hin, dass viele ältere Menschen mit Migrationshintergrund höhere Gesundheitsrisiken aufweisen als Menschen ohne Migrationshintergrund in dieser Altersgruppe. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Angebote unseres Gesundheitssystems viel seltener in Anspruch nehmen, bzw. diese Angebote die Menschen nicht erreichen.

Barrieren der Inanspruchnahme sind unter anderem Wissens- und Informationsdefizite, kulturelle und sprachliche Barrieren (auf beiden Seiten), Diskriminierungserfahrungen sowie zu wenig kultursensible Angebote, auch wenn in diesem Bereich schon eine positive Entwicklung zu verzeichnen ist.

Was bedeutet Kultursensibilität?

Kultursensibilität bedeutet eine Haltung, die aufmerksam ist gegenüber den kulturellen Prägungen und Bedürfnissen anderer Menschen. Sie beruht auf Kenntnissen, Verständnis und dem Respekt vor anderen Kulturen und Religionen, legt dabei aber die einzelnen Personen nicht auf ihre Kultur und Herkunft stereotyp fest.

Differenzierte Betrachtungsweisen sind notwendig, da es vielzählige Diversitätsmerkmale (z. B. Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, kultureller Hintergrund, etc.) gibt, die Menschen beeinflussen und formen. Das Ergebnis ist ein buntes Spektrum an Lebensgeschichten, individuellen Bedürfnissen und Lebenswelten.

Kultursensible Angebote im Bereich der Beratung, wie beispielsweise vielsprachige Informationsmaterialien, vielsprachige Wegweiser oder Piktogramme, die Mehrsprachigkeit von Beratenden oder der Einsatz von Dolmetschenden sind wichtig und können dazu beitragen, dass Angebote des Gesundheitssystems Menschen mit Migrationshintergrund besser erreichen.

Kultursensibilität in der Begegnung mit älteren (demenzkranken) Menschen mit Migrationshintergrund und ihren An- und Zugehörigen bedeutet für uns aber schlussendlich immer eine personenzentrierte Haltung, Beratung, Pflege und Betreuung, die sich an den individuellen Lebenswelten der Menschen orientiert.

Die Nationale Demenzstrategie (NDS) und Kultursensibilität

Auch in der NDS wird thematisiert, dass Menschen mit Migrationshintergrund – auf Grund der oben aufgeführten Barrieren – die ihnen zustehenden Leistungen der Pflegeversicherung oft nicht gänzlich ausschöpfen (können). Daher sollen kultursensible Beratungsangebote für Menschen mit Demenz aus- und aufgebaut werden.

Hierzu wurden konkrete Maßnahmen (2.4) formuliert.

So soll unter anderem darauf hingewirkt werden, die interkulturellen Kompetenzen der Pflegestützpunkte und Pflegeberatungsstellen (Maßnahme 2.4.1) sowie die Weiterentwicklung und Vernetzung von kultursensiblen Informations- und Beratungsangeboten (Maßnahme 2.4.2) weiter auszubauen. Ferner sollen Online-Informationen zu kultursensiblen Beratungsangeboten bereitgestellt werden (Maßnahme 2.4.3).

Unsere Zielsetzung

Aufgrund der oben aufgeführten Fakten ist es auch für die beiden Landesfachstellen Caritas Forum Demenz & ambet Kompetenzzentrum Gerontopsychiatrische Beratung ein wichtiges Anliegen, uns mit dem Thema Kultursensibilität in unserem Tätigkeits- und Wirkungskreis zu beschäftigen.

Wir möchten dazu beitragen, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren, bereits existierende Strukturen und Projekte sichtbarer zu machen und die Netzwerkentwicklung und den Ausbau kultursensibler Angebote in Niedersachsen zu unterstützen.

Interkulturelle Kompetenzen in den Senioren- und Pflegstützpunkten Niedersachsen

Um die interkulturellen Kompetenzen unserer Senioren- und Pflegestützpunkte (SPN) in Niedersachsen transparenter zu machen, haben wir eine Umfrage durchgeführt. Wir bedanken uns bei den 17 SPNs, die daran teilgenommen haben. Die Ergebnisse finden Sie hier:

Projekte und Links zum Thema Kultursensibilität

http://www.demenz-und-migration.de/

Dies ist die gemeinsame Webseite der beiden Projekte

  • „Demenz und Migration“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz &
  • „DeMigranz“ der Demenz Support Stuttgart gGmbH.

Sie finden dort unter anderem Wissen über Demenz in verschiedenen Sprachen, eine Netzwerkkarte, die einen Überblick über mehrsprachige Beratungsstellen gibt sowie weiteres Wissenswerte zum Thema.

Hier (unter weitere Informationen und Materialien) finden Sie das Medienpaket „Über Vergesslichkeit ins Gespräch kommen…“, welches gemeinsam vom Netzwerk Migration und Demenz, der Fachstelle Leben mit Demenz in Hamburg und Demenz Support Stuttgart entwickelt wurde.

Das Medienpaket ist mehrsprachig gestaltet und kann von Kulturvereinen, Migrantenorganisationen und anderen Akteur:innen zur Sensibilisierung zum Thema Demenz und Migration genutzt werden, aber auch, um Wissen zum Thema Demenz sowie Unterstützungsmöglichkeiten zu vermitteln.

Kernstück des Medienpaketes ist ein verfilmtes Theaterstück mit türkischen, englischen und deutschen Untertiteln. Weiterhin beinhaltet es zahlreiche Materialien und Informationen, die für vielfältige Veranstaltungs- Schulungsformen genutzt werden können.

Auf der Webseite der Landesfachstelle Demenz Rheinland Pfalz (im Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung) ist der digitale Werkzeugkoffer „Demenz und Migration“ entstanden.

Er bietet Unterstützung, um Informationen zu verschiedenen Themen wie Beratung, Betreuung und Versorgung von Menschen mit Demenz und Migrationshintergrund zu erhalten. Zusätzlich stellt der digitale Werkzeugkoffer wertvolle Hilfsmittel für die praktische Arbeit in diesem Bereich bereit.

Empfohlen werden Materialien für den Arbeitsalltag, wie bspw. Bildkarten zur interkulturellen Kommunikation (BIK) für die (Geronto-)Psychiatrie.

Bei Verständigungsproblemen im medizinischen Alltag kann Triaphon eine große Hilfe sein.

Triaphon ist eine Nonprofit-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die medizinische Versorgung von Patient:innen mit Sprachbarriere zu verbessern.

Die medizinische Dolmetsch-Hotline steht 24/7, ohne Voranmeldung, über jedes Telefon zur Verfügung. Triaphon hat umfassend geschulte Sprachmittler*innen für die Sprachen:  Arabisch, Bulgarisch, Farsi/Dari, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch, Ukrainisch und Vietnamesisch. Das Angebot wir kontinuierlich ausgebaut.

http://mimi-gesundheit.de/

  • „MiMi – Die Gesundheitsinitiative Deutschland – Mit Migranten für Migranten“  

Das Projekt dient der kultursensiblen Förderung von Prävention und Gesundheit. Hier finden Sie einen Wegweiser durch das deutsche Gesundheitswesen in unterschiedlichen Sprachen und weitere Ratgeber und Handreichungen.

https://www.bagso.de/themen/vielfalt-des-alters/forum-fuer-eine-kultursensible-altenhilfe/

  • Das Forum für kultursensible Altenhilfe ist ein freier Zusammenschluss von Verbänden, Migranten-Organisationen und Institutionen aus Altenhilfe und Migrationsarbeit. Startpunkt der gemeinsamen Arbeit war das im Jahr 2002 veröffentlichte „Memorandum für eine kultursensible Altenhilfe“. 

Das Forum möchte u. a. einen Beitrag dazu leisten, dass Zugangsbarrieren reduziert werden und kultursensibles Arbeiten in der Versorgung (Beratung, Betreuung und Pflege) älterer Migrant:innen weiter ausgebaut werden.

So bietet das Forum z. B. Informationen, Beratung, Vernetzung, Vermittlung von Referent:innen etc..

Genutzte Quellen:

  • Gesundheitsförderung mit älteren Migrantinnen und Migranten gestalten. Im Alter IN FORM-Handreichung für die Seniorenarbeit, Hrsg. BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V.
  • „Migrationshintergrund“ und „Kultursensibilität“ Alte und neue Herausforderungen an die soziale Arbeit im Gesundheitswesen, Dr. Helen Baykara-Krumme, in: Forum Sozialarbeit, Gesundheit, 2/2013
  • Diversitätssensible Altenhilfe – eine Orientierungshilfe für die ambulante pflegerische Versorgung einer vielfältigen Gesellschaft. Hrsg. Deutscher Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband Baden-Württemberg e. V., Juni 2020, Autorinnen: Feray Şahin, Prof. Dr. Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin
  • Nationale Demenzstrategie, https://www.nationale-demenzstrategie.de
  • www.demenz-und-migration.de